Kein Beteiligter und kein Unbeteiligter wird sich ein Urteil darüber anmaßen, ob die Entführung Schleyers zu verhindern gewesen wäre. Nach der Entführung gab es schwer unentschulbare Fahndungspannen.
Sie belegten, dass die Bundesrepublik kein Polizeistaat ist.
Die Polizei war aber nicht hilf- und erfolglos: Sie hatte die Baader-Meinhof-Gruppe zerschlagen, viele Terroristen waren oder wurden nach dem Spätherbst 1977 verhaftet.
Über ihre Haftbedingungen kam es zu internationalen Diskussion, in der die Bundesrepublik vor allem in Frankreich gern als faschistischer und brutaler Polizeistaat hingestellt wurde.
Tatsächlich blieb das Kontaktsperrgesetz nicht ohne Wirkung. Neben Polizei und Straffvollzug war auch das Bundesverfassungsgericht miteinbezogen. Der Bundestag erließ im Blitzverfahren ein neues,
rechtstaatlich zumindest problematisches Gesetz. Die Bundesregierung musste oberhalb der Polizeifahndung das Heft in die Hand nehmen. Die Presse erlegte sich selbst eine Art der Nachrichtensperre auf.
Durch den Druck von den Entführern, alles zu tun, um ein Menschenleben zu retten, hätte es staatsverändernde Wirkungen geben können, d. h. polizeiliche Überreaktionen wären verständlich gewesen, politische Forderungen hätten neue
Überwachungssysteme entwickelt.
Doch der Staat blieb unverändert. In der Stunde der Not hatten auch die großen Parteien zusammengefunden und waren der Versuchung nicht erlegen, sich den Terrorismus wechselseitig zur Last zu legen.
Grundlegend waren die Ereignisse des Jahres 1977 für den Terrorismus selbst. Für viele waren bis dahin die Grenzen zwischen politischem Radikalismus und Extremismus und die zwischen Extremismus und Terrorismus verwischt.
Aber das Verarbeiten ist schwer. Kurz vor der Ermordung Schleyers, während man noch täglich auf neue Nachrichten wartete, legte die Bundesgeschäftsstelle der CDU eine Dokumentation vor, mit der sie beweisen wollte, dass Politiker ,
Schriftsteller, Journalisten und Professoren den Terrorismus mitverschuldet oder zumindest verharmlost hätten.
Doch die politische Schlammschlacht blieb aus.
Die Folgen des deutschen Herbst sind bis heute zu spüren:
Die Gültigkeit der Sondergesetze, die 1977 im Schnellverfahren verabschiedet worden waren sind immer noch gültig
- Kontaktsperrgesetz §1ff.EGGVG
- Strafrechtlicher Tatbestand der terroristischen Vereinigung 129a StGB
Die Qualifikation ist in der besonderen Schwere oder Gefährlichkeit der Straftaten, auf
deren Begehung die Vereinigung abzielt, begründet. Zunächst meint der bundesdeutsche
Gesetzgeber mit dieser Regelung das Auslangen finden zu können. Nach einer ganzen Serie
weiterer schwerer Anschläge wurde der § 129a dStGB mit einem Gesetz vom 19.12.1986
erweitert und die Strafdrohung des Abs. 1 und 2 verschärft. Der Absatz 1 wurde zum
Verbrechenstatbestand ausgebaut. 1
- Vorschrift §112 Abs. StPo (Erlass eines Haftbefehls bei Verdacht nach §129a StGb ohne
Haftgrund.)
- Die obligatorische Kontrolle der Verteidigerpost
- Durchführungen von Jedermannkontrollen bei Fahndungen im Rahmen von §129a
StGB,§111 StGB
- Pauschales Verbot der Verteidigung von mehreren Beschuldigten in einem Verfahren2
Die rechtstechnische Begründung für die Notwendigkeit des § 129a StGB zeigt sich u.a. darin, dass man mit Hilfe dieser Norm eine Vielzahl von verfahrenrechtlichen Sondernormen anknüpfen kann.
Zum Beispiel, die Anordnung von Telefonüberwachung gemäß § 11a StPO oder die erleichterte Durchsuchung verdächtiger Dritter gemäß §103 Abs. 1 Satz 2 StPO oder die Anordnung einer Kontrollstelle
gemäß § 111 StPO. Diese für § 129a StPO geschaffene Zusatzermächtigungen gelten teilweise mit Abstufung auch für andere Ermittlungsverfahren der Schwerkriminalität. 3
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